Fiction-Film
Kapselendoskopie anstatt Darmspiegelung
Untersuchung wie im Science-Fiction-Film
Dorfen
- Einfach nur eine kleine Videokapsel schlucken statt den
Unannehmlichkeiten der Darmspiegelung ausgesetzt sein. Seit diesem Monat
findet im MVZ Dorfen die Probe aufs Exempel statt – mit dem Ziel, mehr
Menschen zur Krebsvorsorge zu bewegen.
© Renner
Reise
in den Körper: Die kleine Koloskopiekapsel, die Praxismanagerin Manuela
Sturz in der Hand hält, schluckt der Patient. Die Gastroenterologen
Jochen Türk, Christian Zillinger und Ludwig Rudolf (v. l.) werten die
Bilder später aus.
Wenn
einen die Diagnose trifft, ist es oft schon zu spät. Darmkrebs ist die
zweithäufigste krebsbedingte Todesursache. Jährlich sterben daran in
Deutschland noch rund 29 000 Menschen. Diese Zahl könnte weit niedriger
ausfallen, wenn mehr Versicherte zur Vorsorge gingen. Angesichts der
allseits bekannten Krebsgefahr erschrecken die Zahlen aus dem Landkreis
Erding, der unter dem ohnehin schon niedrigen landesweiten Schnitt
liegt. Bei uns gehen nämlich nur 17 Prozent der Frauen und 15 Prozent
der Männer zur Vorsorge. Der Grund für die geringe Beteiligung ist oft
die Angst vor der Darmspiegelung. Die Untersuchung, bei der Patienten
ein 1,50 Meter langer Schlauch eingeführt wird, schreckt viele Menschen
nämlich ab.
Eine kleine Kapsel mit zwei
integrierten Kameraköpfen klingt da schon wesentlich angenehmer. Als
Alternative zur Darmspiegelung (Koloskopie) ermöglicht die AOK im Rahmen
eines Modellvorhabens ihren Versicherten eine solche kostenfreie
Kapselendoskopie des Dickdarms. Die neue Methode hat das Ziel,
wesentlich mehr Menschen zu ermutigen, zur Vorsorge zu gehen. Start für
das Probeprojekt war im vergangenen Jahr im Medizinischen
Versorgungszentrum (MVZ) Hochfranken in Hof. Jetzt zieht das MVZ in
Dorfen nach. Vorgestellt wurde die sogenannte „PillCam“ in der AOK
Direktion Erding.
Die Vorteile der neuen
Vorsorgemaßnahme lieferte Sabine Steinlechner, die Bereichsleiterin in
der AOK-Zentrale in München ist. Der Patient schluckt eine Videokapsel
mit zwei Kameras, die digital Bilder aus dem Dickdarm nach außen auf
einen Rekorder überträgt. Die detailreichen Bilder kann der Patient am
Bildschirm live mitverfolgen. Der Darm wird hier zu fast 360 Grad
visualisiert. Je schneller die Kapsel durch den Darm schwimmt, desto
mehr Bilder macht sie – zwischen vier und 35 Stück pro Sekunde. Kleinere
Polypen können Steinlechner zufolge leichter erkannt werden. Werden
solche Krebsvorstufen entdeckt, könne noch eine Koloskopie am selben Tag
angehängt werden, um diese zu entfernen.
„Pro
Woche wird in Dorfen im Schnitt ein Kolonkarzinom entdeckt“, berichtete
Facharzt Christian Zillinger vom MVZ Dorfen. Die neue Methode sei
innovativ und zukunftsweisend. „Zeitlich ist das für uns zwar
aufwändiger. Aber das nehmen wir gerne auf uns, wenn man dadurch Krebs
verhindern kann.“ Bereits über ein Jahr Praxiserfahrung hat Zillingers
Kollege aus Hof, Marwan Khoury: „Wir freuen uns, dass bereits über 200
Versicherte eine Kapselendoskopie zur Darmkrebsfrüherkennung durchführen
haben lassen. Viele davon hatten davor die Darmkrebsprävention aufgrund
der Angst vor der Koloskopie abgelehnt.“ Teilnehmen können sämtliche
AOK-Versicherte zwischen 55 und 75 Jahren. Wenn man mindestens einen
Verwandten ersten Grades mit Darmkrebs-Geschichte hat, ist die
Kolonkapselendoskopie sogar bereits ab dem 45. Lebensjahr möglich.
Sämtliche Kosten (700 Euro für die Kapsel, gut 300 Euro Arzthonorar)
trägt die AOK.
Die Vorbereitung auf die
Untersuchung läuft ähnlich ab wie bei der Darmspiegelung. Zur
Darmreinigung nimmt der Patient also in der Regel einen Tag vorher
Trinklösungen für die Darmreinigung zu sich. Es handelt sich bislang
jedoch nur um ein Modellvorhaben, das im Erfolgsfall eine
flächendeckende Einführung der Kapselendoskopie zur Folge haben könnte.
Wissenschaftlich bewertet wird das Projekt durch das Institut für
Gesundheitsökonomie und Klinische Epidemiologie der Universität Köln.
Befristet ist die Probephase auf den 30. September 2015.
Weitere Informationen
zur Kapselendoskopie gibt es auch im Internet auf der Seite der AOK unter www.darmkapsel.de/aok.
Markus Schwarzkugler
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