Vortragsbeginn: 19 Uhr
Ort: Hörsaal der Kopfklinik
Im Neuenheimer Feld 400 Heidelberg
Referent: Professor Dr.Claus R. Bertram
Geschäftsführender Direktor des
Instituts für Humangenetik.
Am Mittwoch, 18. November 2015, laden Universitätsklinikum
Heidelberg und Rhein-Neckar-Zeitung zum 25. Mal zu einem Vortrag der
beliebten Veranstaltungsreihe „Medizin am Abend“ ein. Thema des
Jubiläumsabends ist das menschliche Genom. Seit 14 Jahren vollständig
entschlüsselt, gibt es Humangenetikern und Ärzten noch manches Rätsel
auf. „Wir befinden uns diesbezüglich immer noch in einem Lernprozess,
unser Genom überrascht die Wissenschaftswelt regelmäßig aufs Neue“, sagt
Professor Dr. Claus R. Bartram, Geschäftsführender Direktor des
Instituts für Humangenetik.
In seinem Vortrag wird er einige neue und
erstaunliche Erkenntnisse über unsere Gene vorstellen und aufzeigen,
welche Bedeutung sie für die Medizin haben, wie heute schon Krankheiten
anhand von Erbgutanalysen diagnostiziert werden und welche
therapeutischen Möglichkeiten sich daraus ergeben. Dabei wird er auch
auf Pränatal- und Präimplantationsdiagnostik eingehen. Der Vortrag
beginnt um 19 Uhr im Hörsaal der Kopfklinik, Im Neuenheimer Feld 400.
Ehrengast des Abends ist Theresia Bauer, Ministerin für Wissenschaft,
Forschung und Kunst. Sie wird ein Grußwort sprechen.
Als das menschliche Erbgut im Jahr 2001 erstmals vollständig
ausgelesen wurde, war man beinahe schon enttäuscht über den vermeintlich
mageren Informationsgehalt: Nur zehn Prozent unserer DNS, so hieß es,
enthalte verwertbare Information, z.B. Bauanleitungen für Proteine und
Steuerungselemente. Der Rest sei gewissermaßen evolutionärer Schrott,
angesammelt während der langen Entstehungsgeschichte des Menschen und
bestehend aus inzwischen nutzlosen und daher degenerierten Genen,
Verdopplungen und Verkehrungen oder Überbleibseln von Virusinfektionen
unserer Vorfahren. „Von wegen“, sagt der renommierte Humangenetiker
Bartram. „Heute gehen wir davon aus, dass mindestens 70 Prozent des
menschlichen Erbguts eine Funktion erfüllen.“ Einer der Gründe für diese
vormals so gravierende Fehleinschätzung sind z.B. die sogenannten
MicroRNAs. Diese elementaren Botenstoffe und Steuerungselemente des
Körpers, die auch bei vielen Erkrankungen eine Rolle spielen, kannte man
vor einigen Jahren schlicht noch gar nicht, nun entdeckt man stetig
weitere. Sie werden in zuvor als inhaltslos angesehenen DNS-Bereichen
codiert.
Und nicht nur das: Die informationstragenden Bereiche des Erbguts
sind zu einem Großteil doppelt und dreifach belegt. Ein Gen kann die
Bauanleitung für mehrere Proteine gleichzeitig enthalten. „Darüber
hinaus überrascht die Variabilität des Erbguts“, so Bartram. „Es gibt
schätzungsweise rund 15 Millionen Varianten des menschlichen Erbguts, in
unter-schiedlichen Kombinationen, sogar die Anzahl der Gene kann
erheblich schwanken. In Bezug auf sein Erbgut gleicht also tatsächlich
kein Mensch einem anderen.“ Für noch mehr Komplexität sorgt zusätzlich
die Tatsache, dass Umweltfaktoren die Abrufbarkeit der Gene individuell
entscheidend beeinflussen können. In diesen unter dem Begriff Epigenetik
zusammengefassten Mechanismen haben Mediziner inzwischen eine wichtige
Größe bei der Entstehung vieler Erkrankungen wie z.B. Krebs erkannt.
Für Erbkrankheiten wie z.B. Mukoviszidose, einer angeborenen
Multiorganerkrankung, sind häufig schädliche Veränderungen an einzelnen
Genen, Mutationen, verantwortlich. Trotzdem lässt sich nicht einheitlich
vom betroffenen Gen auf den Krankheitsverlauf und die benötigte
Therapie schließen, wie man heute von vielen solcher angeborenen
Störungen weiß. Beispiel Mukoviszidose: Zwar ist bei allen Patienten das
gleiche Gen betroffen, doch kennt man mittlerweile 1.500 verschiedene
Mutationen in diesem einen Gen. Je nach Mutation können der
Krankheitsverlauf und die Symptome schwerer oder milder ausfallen.
Andere Mutationen, z.B. beim erblichen Brustkrebs, kommen nicht zwingend
zum Tragen: 80 Prozent der betroffenen Frauen erkranken, aber nur 5
Prozent der Männer mit gleicher Mutation. Warum, ist noch unklar.
Das Wissen um krankheitsauslösende Veränderungen am Erbgut eröffnen
einige diagnostische Möglichkeiten, darunter die
Präimplantationsdiagnostik, auf die Professor Bartram in seinem Vortrag
näher eingehen wird. Mit modernen Methoden der Erbgutanalyse ist es
sogar möglich, bis dato unbekannte genetische Ursachen von Erkrankungen
beim einzelnen Patienten aufzudecken. Doch was nützt dieses Wissen dem
Patienten? Reparieren lassen sich die defekten Gene bislang schließlich
nicht. „Eine Behandlung ist sehr wohl möglich, wenn man die Ursache
kennt und weiß, welche Abläufe im Körper gestört sind. Dann kann man den
Körper mit speziellen Diäten, chirurgischen Eingriffen und gezielt
ausgewählten Medikamenten unterstützen“, erklärt der Humangenetiker.
Außerdem können sich Blutsverwandte ebenfalls testen und beraten lassen,
noch bevor die Erkrankung bei ihnen ausbricht. Und vielleicht wird es
in Zukunft eben doch möglich sein, das Erbgut direkt zu behandeln. Der
Vortrag gibt einen Ausblick auf neue und vielversprechende Ansätze der
sogenannten Gentherapie.
Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg
Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang
Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der bedeutendsten
medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der
Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten
biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist
die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche
Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund
12.600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in
Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen
mit ca. 1.900 Betten werden jährlich rund 66.000 Patienten voll- bzw.
teilstationär und mehr als 1.000.000 mal Patienten ambulant behandelt.
Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze
der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit studieren ca.
3.500 angehende Ärztinnen und Ärzte in Heidelberg.
www.klinikum.uni-heidelberg.de