Samstag, 14. November 2015

18.11.2015 Heidelberg Vortrag Humangenetik heute: Was die Gene wirklich verraten

Vortragsbeginn: 19 Uhr 

Ort:  Hörsaal der Kopfklinik

Im Neuenheimer Feld 400  Heidelberg

Referent: Professor Dr.Claus R. Bertram 

Geschäftsführender Direktor des Instituts für Humangenetik.

Am Mittwoch, 18. November 2015, laden Universitätsklinikum Heidelberg und Rhein-Neckar-Zeitung zum 25. Mal zu einem Vortrag der beliebten Veranstaltungsreihe „Medizin am Abend“ ein. Thema des Jubiläumsabends ist das menschliche Genom. Seit 14 Jahren vollständig entschlüsselt, gibt es Humangenetikern und Ärzten noch manches Rätsel auf. „Wir befinden uns diesbezüglich immer noch in einem Lernprozess, unser Genom überrascht die Wissenschaftswelt regelmäßig aufs Neue“, sagt Professor Dr. Claus R. Bartram, Geschäftsführender Direktor des Instituts für Humangenetik.

In seinem Vortrag wird er einige neue und erstaunliche Erkenntnisse über unsere Gene vorstellen und aufzeigen, welche Bedeutung sie für die Medizin haben, wie heute schon Krankheiten anhand von Erbgutanalysen diagnostiziert werden und welche therapeutischen Möglichkeiten sich daraus ergeben. Dabei wird er auch auf Pränatal- und Präimplantationsdiagnostik eingehen. Der Vortrag beginnt um 19 Uhr im Hörsaal der Kopfklinik, Im Neuenheimer Feld 400. Ehrengast des Abends ist Theresia Bauer, Ministerin für Wissenschaft, Forschung und Kunst. Sie wird ein Grußwort sprechen.


Als das menschliche Erbgut im Jahr 2001 erstmals vollständig ausgelesen wurde, war man beinahe schon enttäuscht über den vermeintlich mageren Informationsgehalt: Nur zehn Prozent unserer DNS, so hieß es, enthalte verwertbare Information, z.B. Bauanleitungen für Proteine und Steuerungselemente. Der Rest sei gewissermaßen evolutionärer Schrott, angesammelt während der langen Entstehungsgeschichte des Menschen und bestehend aus inzwischen nutzlosen und daher degenerierten Genen, Verdopplungen und Verkehrungen oder Überbleibseln von Virusinfektionen unserer Vorfahren. „Von wegen“, sagt der renommierte Humangenetiker Bartram. „Heute gehen wir davon aus, dass mindestens 70 Prozent des menschlichen Erbguts eine Funktion erfüllen.“ Einer der Gründe für diese vormals so gravierende Fehleinschätzung sind z.B. die sogenannten MicroRNAs. Diese elementaren Botenstoffe und Steuerungselemente des Körpers, die auch bei vielen Erkrankungen eine Rolle spielen, kannte man vor einigen Jahren schlicht noch gar nicht, nun entdeckt man stetig weitere. Sie werden in zuvor als inhaltslos angesehenen DNS-Bereichen codiert.
Und nicht nur das: Die informationstragenden Bereiche des Erbguts sind zu einem Großteil doppelt und dreifach belegt. Ein Gen kann die Bauanleitung für mehrere Proteine gleichzeitig enthalten. „Darüber hinaus überrascht die Variabilität des Erbguts“, so Bartram. „Es gibt schätzungsweise rund 15 Millionen Varianten des menschlichen Erbguts, in unter-schiedlichen Kombinationen, sogar die Anzahl der Gene kann erheblich schwanken. In Bezug auf sein Erbgut gleicht also tatsächlich kein Mensch einem anderen.“ Für noch mehr Komplexität sorgt zusätzlich die Tatsache, dass Umweltfaktoren die Abrufbarkeit der Gene individuell entscheidend beeinflussen können. In diesen unter dem Begriff Epigenetik zusammengefassten Mechanismen haben Mediziner inzwischen eine wichtige Größe bei der Entstehung vieler Erkrankungen wie z.B. Krebs erkannt.

Für Erbkrankheiten wie z.B. Mukoviszidose, einer angeborenen Multiorganerkrankung, sind häufig schädliche Veränderungen an einzelnen Genen, Mutationen, verantwortlich. Trotzdem lässt sich nicht einheitlich vom betroffenen Gen auf den Krankheitsverlauf und die benötigte Therapie schließen, wie man heute von vielen solcher angeborenen Störungen weiß. Beispiel Mukoviszidose: Zwar ist bei allen Patienten das gleiche Gen betroffen, doch kennt man mittlerweile 1.500 verschiedene Mutationen in diesem einen Gen. Je nach Mutation können der Krankheitsverlauf und die Symptome schwerer oder milder ausfallen. Andere Mutationen, z.B. beim erblichen Brustkrebs, kommen nicht zwingend zum Tragen: 80 Prozent der betroffenen Frauen erkranken, aber nur 5 Prozent der Männer mit gleicher Mutation. Warum, ist noch unklar.

Das Wissen um krankheitsauslösende Veränderungen am Erbgut eröffnen einige diagnostische Möglichkeiten, darunter die Präimplantationsdiagnostik, auf die Professor Bartram in seinem Vortrag näher eingehen wird. Mit modernen Methoden der Erbgutanalyse ist es sogar möglich, bis dato unbekannte genetische Ursachen von Erkrankungen beim einzelnen Patienten aufzudecken. Doch was nützt dieses Wissen dem Patienten? Reparieren lassen sich die defekten Gene bislang schließlich nicht. „Eine Behandlung ist sehr wohl möglich, wenn man die Ursache kennt und weiß, welche Abläufe im Körper gestört sind. Dann kann man den Körper mit speziellen Diäten, chirurgischen Eingriffen und gezielt ausgewählten Medikamenten unterstützen“, erklärt der Humangenetiker. Außerdem können sich Blutsverwandte ebenfalls testen und beraten lassen, noch bevor die Erkrankung bei ihnen ausbricht. Und vielleicht wird es in Zukunft eben doch möglich sein, das Erbgut direkt zu behandeln. Der Vortrag gibt einen Ausblick auf neue und vielversprechende Ansätze der sogenannten Gentherapie.

Universitätsklinikum und Medizinische Fakultät Heidelberg
Krankenversorgung, Forschung und Lehre von internationalem Rang
Das Universitätsklinikum Heidelberg ist eines der bedeutendsten medizinischen Zentren in Deutschland; die Medizinische Fakultät der Universität Heidelberg zählt zu den international renommierten biomedizinischen Forschungseinrichtungen in Europa. Gemeinsames Ziel ist die Entwicklung innovativer Diagnostik und Therapien sowie ihre rasche Umsetzung für den Patienten. Klinikum und Fakultät beschäftigen rund 12.600 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und engagieren sich in Ausbildung und Qualifizierung. In mehr als 50 klinischen Fachabteilungen mit ca. 1.900 Betten werden jährlich rund 66.000 Patienten voll- bzw. teilstationär und mehr als 1.000.000 mal Patienten ambulant behandelt. Das Heidelberger Curriculum Medicinale (HeiCuMed) steht an der Spitze der medizinischen Ausbildungsgänge in Deutschland. Derzeit studieren ca. 3.500 angehende Ärztinnen und Ärzte in Heidelberg.

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