Ein Protein, das die epigenetischen
Merkmale der Tumorzellen beeinflusst, steht in direktem Zusammenhang mit
der Bösartigkeit von Prostatakrebs. Dies hat nun ein Team von
Wissenschaftlern aus dem Deutschen Krebsforschungszentrum, der
Universität Zürich, dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, der
Universität Heidelberg und weiteren Institutionen an über 7700
Tumor-Gewebeproben nachgewiesen. Ein Nachweis des Biomarkers könnte in
Zukunft die Wahrscheinlichkeit für einen aggressiven Verlauf der
Erkrankung anzeigen und so die Wahl der passenden Therapie unterstützen.
Die Arbeit war Teil des Projekts „Früher Prostatakrebs“, das das
Bundesforschungsministerium im Rahmen des Internationalen
Krebsgenomkonsortiums ICGC fördert.
Bei einer Krebsdiagnose steht für
Betroffene wie auch für ihre Ärzte die Frage nach der Bösartigkeit des
Tumors im Vordergrund: Sie entscheidet, wie intensiv und radikal die
Behandlung ausfallen muss. Insbesondere Prostatakrebs kann von Patient
zu Patient einen sehr unterschiedlichen Verlauf nehmen. Daher suchen
Krebsforscher dringend nach messbaren, zuverlässigen Biomarkern, an
denen sie die Aggressivität des Tumors ablesen können, um die Therapie
entsprechend anzupassen.
Bei vielen Krebsarten geben
Veränderungen des Erbguts Hinweise auf das Gefahrenpotential. Aber
gerade bei Prostatakrebs sind solche Mutationen längst nicht so
zahlreich wie bei anderen Tumorarten. „Wir vermuteten daher, dass
Prostatakrebs vor allem durch veränderte epigenetische Merkmale
angetrieben wird, also solche chemischen Veränderungen am Erbgut, die
nicht die Reihenfolge der DNA-Bausteine betreffen“, sagt Prof. Christoph
Plass vom Deutschen Krebsforschungszentrum (DKFZ), einer der Leiter der
aktuellen Arbeit.
Lange Zeit war unbekannt, wie sich
epigenetische Muster im Erbgut einer Krebszelle ändern. Heute kennen
Wissenschaftler bestimmte Proteine der Zelle, die weitreichenden
Einfluss auf dieses Muster haben können. Ein Verbund von Forschern aus
dem DKFZ, der Universität Zürich, dem Universitätsklinikum
Hamburg-Eppendorf, der Universität Heidelberg und weiteren Institutionen
hat sich nun auf die Suche gemacht nach solchen Steuerproteinen, die in
Prostatakrebszellen die epigenetischen Merkmale verändern und dadurch
möglicherweise den Verlauf der Erkrankung beeinflussen.
Die Wissenschaftler starteten ihre Suche
zunächst in Datenbanken, in denen die molekularen Informationen zu
zahlreichen Prostatakrebsfällen gespeichert sind. Diese Daten
überprüften sie darauf, ob die Tumorzellen eines der bekannten
epigenetischen Steuerproteine signifikant stärker oder schwächer
ausprägen als gesunde Zellen derselben Patienten.
Den auffälligsten Unterschied
ermittelten die Forscher für das Protein BAZ2A: „Eigentlich ist dieses
Eiweiß dafür bekannt, dass es die Produktion der zellulären
Proteinfabriken unterdrückt und dadurch die Lebensfähigkeit von Zellen
beeinträchtigt“, erklärt Prof. Roland Eils, der sowohl im DKFZ als auch
an der Universität Heidelberg eine Forschungsgruppe leitet. „Aber als
wir BAZ2A in Zelllinien von metastasierendem Prostatakrebs
ausschalteten, verlangsamte sich paradoxerweise ihr Wachstum.“ Weitere
Untersuchungen zeigten, dass höhere Konzentrationen von BAZ2A die
bösartigen Eigenschaften der Prostatakrebszellen steigerten, etwa die
Beweglichkeit oder die Fähigkeit, in umgebendes Gewebe einzudringen.
Eine detaillierte molekulare Analyse von
Prostatakrebszellen ergab, dass die Überproduktion von BAZ2A zu
veränderten epigenetischen Mustern führte, die wiederum die Aktivität
einer Reihe von krebsbremsenden Genen drosselten. Daraufhin vermuteten
die Wissenschaftler, dass sich die BAZ2A-Überproduktion direkt auf die
Bösartigkeit von Prostatakrebs auswirkt und daher ein Indikator für den
Verlauf der Erkrankung sein könnte.
Das Forscherteam überprüfte diese
Hypothese an fast 7700 Gewebeproben von Prostatakrebs und stellte fest:
Je mehr BAZ2A das Gewebe enthielt, desto fortgeschrittener war der Tumor
bei seiner Diagnose, desto häufiger hatte der Krebs bereits Metastasen
gestreut und desto höher war der PSA-Wert der jeweiligen Patienten.
„BAZ2A scheint einen direkten Einfluss
auf die Aggressivität von Prostatakrebs zu nehmen. Von daher könnte der
Grad der BAZ2A-Expression deutliche Hinweise auf den Verlauf der
Erkrankung geben. Das muss natürlich noch klinisch bestätigt werden“,
sagt Christoph Plass. Aber gerade bei Patienten, deren sonstige
klinischen Werte ein mittleres Risiko anzeigen, könnte die
BAZ2A-Expression wertvolle Hinweise auf die Wahrscheinlichkeit geben, ob
der Krebs zurückkehrt. Das würde Ärzte und Patienten bei der Wahl der
aussichtsreichsten Therapie unterstützen.
Die Arbeit ist Teil des Internationalen
Krebsgenom-Konsortiums. Am Projekt „Früher Prostatakrebs“ beteiligt sind
die Martini-Klinik und das Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, das
EMBL, das DKFZ, das Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT)
Heidelberg sowie das Max-Planck-Institut für Molekulare Genetik in
Berlin. Die Koordinatoren sind Prof. Christoph Plass im Deutschen
Krebsforschungszentrum und Prof. Guido Sauter vom Universitätsklinikum
Eppendorf. Das Projekt wird vom Bundesministerium für Bildung und
Forschung mit 7,5 Millionen Euro gefördert.
Lei Gu, Sandra C Frommel,
Christopher C Oakes, Ronald Simon, Katharina Grupp, Cristina Y Gerig,
Dominik Bär, Mark D Robinson, Constance Baer, Melanie Weiss, Zuguang Gu,
Matthieu Schapira, Ruprecht Kuner, Holger Sültmann, Maurizio
Provenzano, ICGC Project on Early Onset Prostate Cancer, Marie-Laure
Yaspo, Benedikt Brors, Jan Korbel, Thorsten Schlomm, Guido Sauter,
Roland Eils, Christoph Plass und Raffaella Santoro: BAZ2A (TIP5) is
involved in epigenetic alterations in prostate cancer and its
overexpression predicts disease recurrence.
Nature Genetics 2014, DOI: 10.1038/ng.3165
Nature Genetics 2014, DOI: 10.1038/ng.3165
Das Deutsche Krebsforschungszentrum
(DKFZ) ist mit mehr als 3.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern die
größte biomedizinische Forschungseinrichtung in Deutschland. Über 1000
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler erforschen im DKFZ, wie Krebs
entsteht, erfassen Krebsrisikofaktoren und suchen nach neuen Strategien,
die verhindern, dass Menschen an Krebs erkranken. Sie entwickeln neue
Methoden, mit denen Tumoren präziser diagnostiziert und Krebspatienten
erfolgreicher behandelt werden können. Die Mitarbeiterinnen und
Mitarbeiter des Krebsinformationsdienstes (KID) klären Betroffene,
Angehörige und interessierte Bürger über die Volkskrankheit Krebs auf.
Gemeinsam mit dem Universitätsklinikum Heidelberg hat das DKFZ das
Nationale Centrum für Tumorerkrankungen (NCT) Heidelberg eingerichtet,
in dem vielversprechende Ansätze aus der Krebsforschung in die Klinik
übertragen werden. Im Deutschen Konsortium für Translationale
Krebsforschung (DKTK), einem der sechs Deutschen Zentren für
Gesundheitsforschung, unterhält das DKFZ Translationszentren an sieben
universitären Partnerstandorten. Die Verbindung von exzellenter
Hochschulmedizin mit der hochkarätigen Forschung eines
Helmholtz-Zentrums ist ein wichtiger Beitrag, um die Chancen von
Krebspatienten zu verbessern. Das DKFZ wird zu 90 Prozent vom
Bundesministerium für Bildung und Forschung und zu 10 Prozent vom Land
Baden-Württemberg finanziert und ist Mitglied in der
Helmholtz-Gemeinschaft deutscher Forschungszentren.
Ansprechpartner für die Presse:Dr. Stefanie Seltmann
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Deutsches Krebsforschungszentrum
Im Neuenheimer Feld 280
69120 Heidelberg
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Pressemitteilung
Deutsches Krebsforschungszentrum, Dr. Stefanie Seltmann
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